Das älteste Geld der Welt trifft auf die neueste Technologie
In der Finanzwelt prallen zwei Welten aufeinander: Auf der einen Seite Gold, der seit Jahrtausenden bewährte, physische Wertspeicher. Auf der anderen Seite die Blockchain-Technologie, die mit Kryptowährungen wie Bitcoin eine neue, digitale Anlageklasse geschaffen hat. Eine der spannendsten Innovationen an dieser Schnittstelle ist "tokenisiertes Gold". Es verspricht, die Vorteile beider Welten zu vereinen: die Sicherheit von Gold mit der Flexibilität und Handelbarkeit von Krypto-Assets. Doch kann dieses Versprechen gehalten werden? Und was sind die versteckten Risiken?
Wie funktioniert tokenisiertes Gold?
Das Konzept ist einfach: Ein Unternehmen lagert physische Goldbarren in einem Hochsicherheitstresor. Anschließend gibt es auf einer Blockchain eine bestimmte Anzahl digitaler "Token" aus. Jeder Token repräsentiert dabei das Eigentumsrecht an einer festgelegten Menge des eingelagerten Goldes (z.B. ein Token = ein Gramm Gold). Diese Token können dann auf Krypto-Börsen rund um die Uhr gehandelt, versendet und in Bruchteilen erworben werden.
Die vermeintlichen Vorteile auf dem Prüfstand
- Hohe Teilbarkeit und Zugänglichkeit: Man kann kleinste Bruchteile eines Tokens kaufen und so auch mit wenigen Euro in Gold investieren.
- 24/7-Handelbarkeit: Im Gegensatz zum traditionellen Goldhandel, der an Geschäftszeiten gebunden ist, können Token jederzeit gehandelt werden.
- Einfacher Transfer: Token lassen sich weltweit innerhalb von Minuten über die Blockchain an andere Personen senden.
Das entscheidende Manko: Das wiederkehrende Gegenparteirisiko
Der größte Vorteil von physischem Gold ist, dass es kein Gegenparteirisiko birgt. Wenn Sie eine Münze in der Hand halten, sind Sie von keiner dritten Partei abhängig. Tokenisiertes Gold hebelt genau diesen entscheidenden Vorteil aus. Als Besitzer eines Tokens vertrauen Sie blind darauf, dass der Emittent (das ausgebende Unternehmen) das Gold tatsächlich besitzt, es sicher lagert und im Ernstfall auch ausliefert.
Dieses Modell birgt erhebliche Risiken:
- Insolvenzrisiko: Geht der Emittent pleite, ist unklar, ob die Token-Besitzer einen direkten Anspruch auf das Gold haben oder ob es in die Insolvenzmasse fällt.
- Betrugsrisiko: Es besteht die Gefahr, dass ein Emittent weniger Gold einlagert, als er Token ausgegeben hat.
- Technische Risiken: Wie bei allen Krypto-Assets besteht das Risiko von Hacks der Handelsplattformen oder dem Verlust des privaten Schlüssels, der den Zugang zu den Token sichert.
Tokenisiertes Gold vs. Physisches Gold vs. Gold-ETC
| Merkmal | Physisches Gold | Gold-ETC | Tokenisiertes Gold |
| Eigentum | Direktes, physisches Eigentum |
Schuldverschreibung mit Lieferanspruch |
Digitales Recht auf einen Goldanteil |
|
Gegenparteirisiko |
Keines |
Ja (Emittent der Schuldverschreibung) |
Ja (Emittent des Tokens & Verwahrer) |
| Lagerung |
Selbstverantwortlich oder extern |
Durch den Emittenten |
Durch den Emittenten |
|
Steuern (Gewinn) |
Nach 1 Jahr steuerfrei |
Nach 1 Jahr steuerfrei (bei Lieferanspruch) |
Steuerlich oft unklar, meist wie Krypto |
|
Handelbarkeit |
Während der Geschäftszeiten |
Während der Börsenzeiten |
24/7 |
Fazit: Eine interessante Innovation, aber kein Ersatz für das Original
Tokenisiertes Gold ist eine faszinierende technologische Entwicklung, die den Handel mit Gold vereinfachen kann. Es ist jedoch entscheidend zu verstehen, dass es sich um ein völlig anderes Anlageinstrument als physisches Gold handelt. Es tauscht die ultimative Sicherheit und Unabhängigkeit des physischen Besitzes gegen Bequemlichkeit und Handelbarkeit ein und führt dabei wieder genau jenes Gegenparteirisiko ein, das Goldanleger eigentlich vermeiden wollen. Für Investoren, deren oberstes Ziel finanzielle Souveränität und Krisenschutz ist, führt daher kein Weg am direkten Besitz von echten, greifbaren Goldmünzen und -barren vorbei.